Deutsche Übersetzung des Artikels »The new new product development game« (1986)

Die Wurzeln von Scrum

Originalquelle: https://hbr.org/1986/01/the-new-new-product-development-game


Der nachfolgende Text enthält die deutsche Übersetzung der Original-Textes »The new new product development game« (1986) von Hirotaka Takeuchi und Ikujiro Nonaka. Dieser Text wurde von Patrick Koglin ins deutsche übersetzt und ist im Rahmen seines Buches „Magic Teams“ im Anhang 1 auf Seite 135 veröffentlicht worden.


Wurzeln der Scrum Geschichte

Der 1986 erschienene Artikel »The new new product development game« von Hirotaka Takeuchi und Ikujiro Nonaka bildet einen wichtigen Meilenstein in der Geschichte des Scrum-Frameworks. Die beiden Organisationstheoretiker beschrieben auf der Basis von Studien und Beobachtungen eine neue Form der Zusammenarbeit in der Produktentwicklung.

Sie verglichen Teams mit kleinen selbstorganisierten Einheiten, die mit einem Ziel von außen voranschreiten. Vergleichbar mit dem Rugby-Spielzug »Scrum«. Ken Schwaber und Jeff Sutherland griffen diese Bezeichnung später auf und benannten das heute bekannte Rahmenwerk für agile Produktentwicklung danach.

Der Artikel beschreibt die dahinterliegende Funktionsweise von adaptiven Produktentwicklungsteams in einer unnachahmlichen Form. Daher habe ich ihn einfach übersetzt und mit in dieses Buch aufgenommen.

Was stand in dem Artikel?

Das Original erschien im Harvard Business Magazin: https://hbr.org/1986/01/the-new-new-product-development-game


Das neue Spiel der Produktentwicklung

Deutsche Übersetzung

In der heutigen schnelllebigen, hart umkämpften Welt der kommerziellen Neu-Produktentwicklung sind Geschwindigkeit und Flexibilität essenziell. Die Unternehmen erkennen zunehmend, dass der alte, sequenzielle Ansatz bei der Entwicklung neuer Produkte einfach nicht den Zweck erfüllt. Stattdessen verwenden Unternehmen in Japan und den Vereinigten Staaten eine ganzheitliche Methode – wie im Rugby wird der Ball innerhalb des Teams weitergegeben, während es sich als Einheit auf dem Feld bewegt.

Dieser ganzheitliche Ansatz hat sechs Merkmale: eingebaute Instabilität, selbstorganisierende Projektteams, überlappende Entwicklungsphasen, »Multidimensionales Lernen«, subtile Kontrolle und organisierter Lerntransfer. Die sechs Teile fügen sich wie ein Puzzle zusammen und bilden einen schnellen flexiblen Prozess für die Entwicklung neuer Produkte. Ebenso kann der neue Ansatz als Change Agent in Aktion treten: Er ist ein Vehikel für die Einführung kreativer, marktorientierter Ideen und Prozesse in einer alten, starren Organisation.

Die Spielregeln bei der Entwicklung neuer Produkte ändern sich. Viele Unternehmen haben herausgefunden, dass es mehr als die akzeptierten Grundlagen von hoher Qualität, niedrigen Kosten und Spezialisierung braucht, um im heutigen Wettbewerbsmarkt zu glänzen. Es braucht auch Geschwindigkeit und Flexibilität.

Diese Veränderung spiegelt sich in dem Schwerpunkt wider, den Unternehmen auf neue Produkte als Quelle neuer Umsätze und Gewinne legen. Bei 3M beispielsweise machen Produkte, die jünger als fünf Jahre sind, 25 Prozent des Umsatzes aus. Eine Erhebung von 700 US-amerikanischen Unternehmen aus dem Jahr 1981 ergab, dass neue Produkte in den achtziger Jahren ein Drittel aller Gewinne ausmachen würden, ein Anstieg von einem Fünftel in den siebziger Jahren.

Dieser neue Schwerpunkt auf Geschwindigkeit und Flexibilität erfordert einen anderen Ansatz für das Management neuer Produktentwicklungen. Der traditionelle sequenzielle oder »Staffellauf«-Ansatz für die Produktentwicklung, der durch das stufenweise Programmplanungssystem (PPP) der National Aeronautics and Space Administration veranschaulicht wird, steht möglicherweise im Widerspruch zu den Zielen der maximalen Geschwindigkeit und Flexibilität. Stattdessen kann ein ganzheitlicher oder »Rugby«-Ansatz, bei dem ein Team versucht, die Distanz als Einheit zu anzugehen und dabei den Ball vor und zurück passt, den heutigen Wettbewerbsanforderungen besser gerecht werden.

Nach dem alten Ansatz bewegte sich ein Produktentwicklungsprozess wie ein Staffellauf, wobei eine Gruppe funktionaler Spezialisten den Staffelstab an die nächste Gruppe weitergab. Das Projekt wurde von Phase zu Phase fortgeführt: Konzeptentwicklung, Machbarkeitsprüfung, Produktdesign, Entwicklungsprozess, Pilotproduktion und Endproduktion. Bei dieser Methode wurden Funktionseinheiten spezialisiert und segmentiert: Die Marketing-Leute untersuchten die Bedürfnisse und Wahrnehmungen der Kunden durch die Entwicklung von Produktkonzepten; die F & E Ingenieure wählten das passende Design; die Produktionsingenieure brachten es in Form; und andere funktionelle Spezialisten trugen den Stab in verschiedenen Stadien des Rennens.

Unter dem Rugby-Ansatz entsteht der Produktentwicklungsprozess aus der ständigen Interaktion eines handverlesenen, multidisziplinären Teams, dessen Mitglieder von Anfang bis Ende zusammenarbeiten. Statt sich in definierten, stark strukturierten Phasen zu bewegen, entsteht der Prozess aus dem Zusammenspiel der Teammitglieder (siehe Abbildung 1). Eine Gruppe von Ingenieuren zum Beispiel könnte mit dem Entwurf des Produkts beginnen (Phase drei), bevor alle Ergebnisse der Machbarkeitsstudien (Phase zwei) vorliegen. Oder das Team könnte gezwungen sein, eine Entscheidung aufgrund späterer Informationen zu überdenken. Das Team hört nicht auf, sondern experimentiert mit iterativen Experimenten. Dies geschieht sogar in den letzten Phasen des Entwicklungsprozesses.


Abbildung 1: Bildquelle: https://hbr.org/resources/images/article_assets/hbr/8601/86116_A.gif

Abbildung 1 zeigt den Unterschied zwischen dem traditionellen, linearen Ansatz der Produktentwicklung und dem Rugby-Ansatz. Der sequenzielle Ansatz, der als Typ A bezeichnet wird, wird durch das PPP-System vom NASA-Typ dargestellt. Der Überlappungsansatz wird durch Typ B repräsentiert, wobei die Überlappung nur an der Grenze benachbarter Phasen auftritt, und Typ C, bei dem sich die Überlappung über mehrere Phasen erstreckt. Wir beobachteten eine Überlappung vom Typ B bei Fuji-Xerox und eine Überlappung vom Typ C bei Honda und Canon.

Dieser Ansatz ist unerlässlich für Unternehmen, die schnell und flexibel neue Produkte entwickeln möchten. Der Übergang von einem linearen zu einem integrierten Ansatz fördert Versuch und Irrtum und stellt den Status quo in Frage. Es stimuliert neue Arten des Lernens und Denkens innerhalb der Organisation auf verschiedenen Ebenen und Funktionen. Genauso wichtig ist, dass diese Strategie für die Produktentwicklung als Change Agent für größere Organisation fungieren kann. Die Energie und Motivation, die durch diesen Einsatz erzeugt werden, kann sich in großen Organisationen ausbreiten und beginnen, einige der Starrheiten, die sich im Laufe der Zeit eingestellt haben, aufzubrechen.

In diesem Artikel beleuchten wir Unternehmen in Japan und in den USA, die den neuen Ansatz zum Managen von Produktentwicklungsprozessen genutzt haben. Unsere Forschung untersuchte internationale Unternehmen wie Fuji-Xerox, Canon, Honda, NEC, Epson, Brother, 3M, Xerox und Hewlett-Packard. Wir haben dann den Entwicklungsprozess von sechs spezifischen Produkten analysiert:

  • FX-3500 medium-sized copier (introduced by Fuji-Xerox in 1978)
  • PC-10 personal-use copier (Canon, 1982)
  • City car with 1200 cc engine (Honda, 1981)
  • PC 8000 personal computer (NEC, 1979)
  • AE-1 single-lens reflex camera (Canon, 1976)
  • Auto Boy, known as the Sure Shot in the United States, lens shutter camera, (Canon, 1979)

Wir haben jedes Produkt aufgrund folgender Eigenschaften ausgewählt: seiner Bedeutung, seiner Sichtbarkeit innerhalb des Unternehmens als Teil eines »bahnbrechenden« Entwicklungsprozesses, der Neuheit der Produkteigenschaften zur damaligen Zeit, des Markterfolgs des Produkts und dem Zugang und Verfügbarkeit der Produktdaten.

Das Scrumfeld verschieben

Aus Interviews mit Mitgliedern der Organisation, vom CEO bis zu jungen Ingenieuren, haben wir gelernt, dass führende Unternehmen sechs Merkmale beim Management ihrer neuen Produktentwicklungsprozesse aufweisen:

  1. Eingebaute Instabilität
  2. Selbstorganisierende Projektteams
  3. Überschneidende Entwicklungsphasen
  4. Multidimensionales Lernen
  5. Subtile Kontrolle
  6. Organisatorischer Lerntransfer

Diese Eigenschaften sind wie Teile eines Puzzles. Jedes Element allein bringt keine Geschwindigkeit und Flexibilität mit sich. Aber insgesamt betrachtet können die Eigenschaften eine starke neue Dynamik erzeugen, die einen Unterschied machen wird.


Eingebaute Instabilität

Das Top-Management startet den Entwicklungsprozess, indem es ein breites Ziel oder eine allgemeine strategische Ausrichtung anzeigt. Es gibt selten ein klares neues Produktkonzept oder einen spezifischen Arbeitsplan aus. Aber es bietet einem Projektteam ein weites Maß an Freiheit und stellt extrem anspruchsvolle Ziele auf. So verlangte das Top-Management von Fuji-Xerox nach einem völlig anderen Kopierer und gab dem FX-3500-Projektteam zwei Jahre Zeit, eine Maschine zu entwickeln, die halb so teuer sein würde wie die High-End-Linie, aber dennoch funktionierte.

Das Top-Management schafft ein Spannungsfeld im Projektteam, indem es großen Freiraum für die Durchführung eines strategisch wichtigen Projekts bietet und sehr anspruchsvolle Anforderungen stellt. Ein für die Entwicklung verantwortlicher Manager bei Honda bemerkte: »Es ist, als würde man die Teammitglieder in den zweiten Stock setzen, die Leiter entfernen und ihnen sagen, sie sollten springen oder sonst setzt’s etwas. Ich glaube, dass Kreativität dadurch entsteht, dass Menschen gegen die Wand gedrängt werden und sie fast bis zum Äußersten unter Druck gesetzt werden.«


Selbstorganisierende Projektteams

Ein Projektteam übernimmt einen selbstorganisierenden Charakter, da es in einen Zustand von »Null-Information« getrieben wird – wo Vorwissen nichts nützt. Unklarheit und Bewegung sind in diesem Zustand reichlich vorhanden. Sich selbst überlassen, beginnt der Prozess, eine eigene dynamische Ordnung zu schaffen. Das Projektteam fängt an, wie ein Start-up-Unternehmen zu agieren – es braucht Initiativen und Risiken und entwickelt eine unabhängige Agenda. Irgendwann beginnt das Team ein eigenes Konzept zu erstellen.

Beispiele zur dynamischen Ordnung unter: Ilya Prigozine, From Being to Becoming (San Francisco, Calif.: Freeman, 1980); Eric Jantsch, »Unifying Principles of Evolution,« in Eric Jantsch, ed., The Evolutionary Vision (Boulder, Colorado: Westview Press, 1981); and Devendra Sahal, »A Unified Theory of Self-Organization,« Journal of Cybernetics, April–June, 1979, p. 127. Oder unter: Todao Kagono, Ikujiro Nonaka, Kiyonari Sakakibara, and Akihiro Okumura, Strategic vs. Evolutionary Management: A U.S.-Japan Comparison of Strategy and Organization (Amsterdam: North-Holland, 1985).

Eine Gruppe besitzt eine selbstorganisierende Fähigkeit, wenn sie drei Bedingungen erfüllt: Autonomie, Selbsttranszendenz und gegenseitige Unterstützung (gegenseitige Befruchtung). In unserer Studie der verschiedenen neuen Produktentwicklungsteams haben wir alle drei Bedingungen gefunden.


Autonomie

Die Beteiligung des Hauptquartiers beschränkt sich am Anfang auf die Bereitstellung von Beratung, Geld und moralischer Unterstützung. Im Tagesgeschäft greift das Top-Management selten ein; Das Team kann seine eigene Richtung festlegen. In gewisser Weise agiert das Top-Management als Risikokapitalgeber. Oder wie eine Führungskraft sagte: »Wir öffnen unsere Geldbörse, aber halten unseren Mund geschlossen.«

Diese Art von Autonomie war offensichtlich, als IBM seinen Personal Computer entwickelte. Eine kleine Gruppe von Ingenieuren begann in einem umgebauten Lager in der abgelegenen Stadt Boca Raton, Florida, an der Maschine zu arbeiten. Mit Ausnahme der vierteljährlichen Corporate Reviews hat das Headquarter in Armonk, New York, der Boca Raton-Gruppe erlaubt, eigenständig zu agieren. Die Gruppe erhielt grünes Licht für unkonventionelle Schritte wie die Auswahl externer Lieferanten für ihr Mikroprozessor- und Softwarepaket.

In unseren Fallstudien haben wir andere Beispiele von Autonomie beobachtet:

  • Das Projektteam von Honda City, dessen Mitglieder durchschnittlich 27 Jahre alt waren, hatte diese Anweisungen vom Management: »die Art von Auto zu entwickeln, die das Jugendsegment fahren möchte«. Ein Ingenieur sagte: »Es ist unglaublich, wie das Unternehmen junge Ingenieure hinzuzog, um eigenständig ein Auto mit einem völlig neuen Konzept zu entwerfen und uns die Freiheit gab, es auf unsere Art zu tun.«
  • Eine kleine Gruppe von Vertriebsingenieuren, die ursprünglich Mikroprozessoren verkauften, bauten den PC 8000 bei NEC. Die Gruppe begann ohne Wissen über Personal Computer. »Wir haben vom Top-Management grünes Licht erhalten, das Projekt fortzuführen, vorausgesetzt, wir entwickeln das Produkt selbst und sind für die Herstellung, den Vertrieb und die Wartung selbst verantwortlich«, sagte der Projektleiter.

Selbst-Transzendenz

Die Projektteams scheinen in eine nie endende Suche nach dem »Limit« vertieft zu sein. Ausgehend von den Richtlinien des Top-Managements beginnen sie, ihre eigenen Ziele zu setzen und sie während des gesamten Entwicklungsprozesses ständig zu erhöhen. Indem sie scheinbar widersprüchliche Ziele verfolgen, entwickeln sie Wege, den Status quo zu überwinden und die große Entdeckung zu machen.

Wir haben viele Beispiele von Selbsttranszendenz in unserer Felduntersuchungen beobachtet. Das Canon AE-1-Projektteam hat neue Ideen entwickelt, die anspruchsvollen Parameter des Top-Managements zu erfüllen. Das Unternehmen bat das Team, eine qualitativ hochwertige, automatische Belichtungskamera zu entwickeln, die kompakt, leicht, einfach zu bedienen und 30 Prozent günstiger als der Preis von Ein-Objektiv-Kameras sein sollte. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, hat das Projektteam mehrere Premieren in Kameradesign und -produktion erreicht: ein elektronisches Gehirn, bestehend aus integrierten Schaltungen, die von Texas Instruments maßgeschneidert wurden; Modularisierte Produktion, die Automatisierung und Massenproduktion ermöglicht; und Verringerung der Anzahl der Teile um 30 bis 40 Prozent. »Es war ein Kampf, weil wir unsere traditionelle Denkweise verleugnen mussten«, erinnert sich der Leiter des AE-1-Teams. »Aber wir tun das jeden Tag in anlaufenden Teilen unseres Geschäfts«, antwortete eine andere Canon-Führungskraft. Die gesamte Organisation führt tägliche, schrittweise Verbesserungen durch, um das zu stärken, was der Präsident als »die Grundlagen« bezeichnet: F & E, Produktionstechnologie, Verkaufskompetenz und Unternehmenskultur.

Das Honda-City-Projektteam hat auch den Durchbruch geschafft, indem es den Status quo überschritt. Das Team wurde gebeten, ein Auto mit zwei Wettbewerbsmerkmalen für das Jugendsegment zu entwickeln: Effizienz bei Ressourcen und Kraftstoff und kompromisslose Qualität zu einem niedrigen Preis. Der natürliche Instinkt des Teams bestand darin, eine verkleinerte Version des meistverkauften Civic-Modells von Honda zu entwickeln. Nach vielen Diskussionen beschloss das Team, ein Auto mit einem völlig neuen Konzept zu entwickeln. Es stellte die vorherrschende Idee, dass ein Auto lang und niedrig sein sollte, in Frage und entwarf ein »kurz und groß« Auto. Überzeugt davon, dass eine Entwicklung hin zu einem »Maschinenminimum, menschliches Maximum« unvermeidbar war, war das Team bereit, gegen die Industrienorm zu gehen.

Gegenseitige Befruchtung

Ein Projektteam aus Mitgliedern mit unterschiedlichen funktionalen Spezialisierungen, Denkprozessen und Verhaltensmustern führt neue Produktentwicklungen durch. Das Honda-Team bestand zum Beispiel aus handverlesenen Mitgliedern aus Forschung und Entwicklung, Produktion und Vertrieb. Das Unternehmen ging noch einen Schritt weiter und platzierte eine Vielzahl von Persönlichkeiten im Team. Diese Vielfalt förderte neue Ideen und Konzepte.

Während die Auswahl eines vielfältigen Teams entscheidend ist, findet die gegenseitige Befruchtung erst dann statt, wenn die Mitglieder interagieren. Fuji-Xerox hat das multifunktionale Team, das den FX-3500 – bestehend aus Mitgliedern aus den Abteilungen Planung, Design, Produktion, Vertrieb, Vertrieb und Evaluierung – in einem großen Raum aufgebaut. Ein Projektmitglied gab die folgende Begründung für diesen Schritt: »Wenn sich alle Teammitglieder in einem großen Raum befinden, werden die Informationen von jemand anderem automatisch zu ihren eigenen, ohne Anstrengung. Sie fangen dann an, darüber nachzudenken, was das Beste oder Zweitbeste für die Gruppe ist und nicht nur, wo Sie stehen. Wenn jeder die Position der anderen Person versteht, ist jeder bereit, nachzugeben oder zumindest zu versuchen, miteinander zu reden. Daraus ergeben sich Initiativen.«


Überlappende Entwicklungsphasen

Der selbstorganisierende Charakter des Teams erzeugt eine einzigartige Dynamik oder einen einzigartigen Rhythmus. Obwohl die Teammitglieder das Projekt mit unterschiedlichen Zeithorizonten starten – wobei F & E-Mitarbeiter den längsten Zeithorizont und Produktionsmitarbeiter den kürzesten Zeithorizont haben – müssen alle daran arbeiten, ihr Tempo zu synchronisieren, um die Termine einzuhalten. Auch wenn das Projektteam von »Zero Information« ausgeht, beginnt jedes Mitglied bald, Wissen über den Marktplatz und die technische Community zu teilen. Als Ergebnis fängt das Team an, als Einheit zu arbeiten. Irgendwann werden das Individuum und das Ganze unzertrennlich. Der Rhythmus des Individuums und der Rhythmus der Gruppe beginnen sich zu überlappen, wodurch ein ganz neuer Puls entsteht. Dieser Impuls dient als treibende Kraft und bewegt das Team vorwärts.

Aber die Schnelligkeit des Pulses variiert in verschiedenen Phasen der Entwicklung. Der Pulsschlag scheint in den frühen Phasen am stärksten zu sein und verjüngt sich gegen Ende. Ein Mitglied des PC-10-Entwicklungsteams von Canon beschrieb diesen Rhythmus folgendermaßen: »Wenn wir darüber diskutieren, welche Art von Konzept erstellt werden soll, gehen unsere Gedanken in verschiedene Richtungen und listen Alternativen auf. Aber wenn wir versuchen, sowohl niedrige Kosten als auch hohe Zuverlässigkeit zu erreichen, arbeiten wir daran, die verschiedenen Standpunkte zu integrieren. Konflikte treten auf, wenn einige versuchen zu unterscheiden und andere versuchen, sich zu integrieren. Der Knackpunkt liegt darin, diesen Rhythmus zu erschaffen und zu wissen, wann man sich von einem Zustand zum anderen bewegt.«

Beim sequenziellen oder Staffellauf-Ansatz durchläuft ein Projekt schrittweise mehrere Phasen, wobei es erst dann von einer Phase zur nächsten übergeht, wenn alle Anforderungen der vorhergehenden Phase erfüllt sind. Diese Kontrollpunkte kontrollieren das Risiko. Gleichzeitig lässt dieser Ansatz wenig Raum für Integration. Ein Engpass in einer Phase kann den gesamten Entwicklungsprozess verlangsamen oder gar stoppen.

Unter dem ganzheitlichen oder Rugby-Ansatz überschneiden sich die Phasen beträchtlich, was es der Gruppe ermöglicht, die während des Entwicklungsprozesses erzeugten Vibrationen oder den »Lärm« zu absorbieren. Wenn ein Flaschenhals auftritt, nimmt der Geräuschpegel offensichtlich zu. Aber der Prozess kommt nicht plötzlich zum Stillstand; Das Team schafft es, sich selbst voranzutreiben.

Fuji-Xerox erbte das PPP-System (siehe Typ A in Anhang 1) von seiner Muttergesellschaft, überarbeitete es jedoch auf zwei Arten. Erstens wurde die Anzahl der Phasen von sechs auf vier reduziert, indem einige der Phasen neu definiert und anders zusammengefasst wurden. Zweitens änderte es das lineare sequenzielle System in das sogenannte »Sashimi« -System. Sashimi sind Scheiben von rohem Fisch, die auf einer Platte angeordnet sind, wobei eine Scheibe die andere überlappt (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2 Bildquelle: https://hbr.org/resources/images/article_assets/hbr/8601/86116_B.gif

Das Sashimi-System erfordert eine umfassende Interaktion nicht nur zwischen den Projektmitgliedern, sondern auch mit den Lieferanten. Das FX-3500-Team lud sie zu Beginn des Projekts ein (sie produzierten schließlich 90 % der Teile für das Modell). Jede Seite besuchte regelmäßig die Werke des anderen und hielt den Informationskanal jederzeit offen. Diese Art des Austauschs und der Offenheit – sowohl im Projektteam als auch bei den Lieferanten – erhöht die Geschwindigkeit und Flexibilität. Fuji-Xerox verkürzte die Entwicklungszeit von 38 Monaten für ein früheres Modell der FX-3500 auf 29 Monate.

Wenn Sashimi den Fuji-Xerox-Ansatz definiert, dann beschreibt Rugby die Überlappung bei Honda. Wie ein Rugby-Team bleiben die Kernprojektmitglieder von Honda von Anfang bis Ende intakt und sind dafür verantwortlich, alle Phasen zu kombinieren.

Im relaisartigen PPP-System treten die entscheidenden Probleme an den Punkten auf, an denen eine Gruppe das Projekt zur nächsten übergibt. Der Rugby-Ansatz glättet dieses Problem, indem er die Kontinuität über Phasen hinweg aufrechterhält.

Das »Auto-Boy«-Projekt verlief auch in vielen Phasen sehr überlappend. Die Entwickler von Canon blieben während des gesamten Prozesses aufmerksam, um sicherzustellen, dass ihr Design so umgesetzt wurde, was sie vorhatten. Die Produktionsmitarbeiter drängten sich auf den Rasen der Designingenieure, um sicherzustellen, dass das Design im Einklang mit der Wirtschaftlichkeit der Produktion stand.

Der überlappende Ansatz hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Höhere Geschwindigkeit und erhöhte Flexibilität sind die »harten« Vorzüge. Aber der Ansatz hat auch eine Reihe von »weichen« Vorteilen in Bezug auf das Personalmanagement. Der Überlappungsansatz fördert die gemeinsame Verantwortung und Zusammenarbeit, regt Engagement und Selbstverpflichtung an, schärft die Problemlösungsorientierung, fördert die Initiative, entwickelt breit gefächerte Fähigkeiten und sensibilisiert für Marktbedingungen.

Die offensichtlichen Nachteile ergeben sich aus einem intensiven Prozess. Zu den Problemen gehören die Kommunikation mit dem gesamten Projektteam, der enge Kontakt zu den Lieferanten, die Erstellung verschiedener Notfallpläne und der Umgang mit Überraschungen. Dieser Ansatz erzeugt auch mehr Spannungen und Konflikte in der Gruppe. Wie ein Projektmitglied treffend formulierte: »Wenn jemand aus der Entwicklung denkt, dass 1 von 100 gut ist, ist das ein klares Zeichen weiterzumachen. Aber wenn jemand aus der Produktion denkt, dass 1 von 100 nicht gut ist, müssen wir von vorne beginnen. Diese Lücke in der Wahrnehmung schafft Konflikte.«

Die Überschneidung von Phasen hebt auch traditionelle Vorstellungen von Arbeitsteilung auf. Die Arbeitsteilung funktioniert gut in einem Typ-A-System, bei dem das Management Aufgaben klar abgrenzt, erwartet, dass alle Projektmitglieder ihre Verantwortlichkeiten kennen, und bewertet diese jeweils auf individueller Basis. Bei einem Typ-B- oder C-System erfüllt das Unternehmen die Aufgaben durch eine sogenannte »geteilte Arbeitsteilung«, in der sich jedes Teammitglied für jeden Aspekt des Projekts verantwortlich fühlt und daran arbeiten kann.


Multidimensionales Lernen

Da die Mitglieder des Projektteams im engen Kontakt mit externen Informationsquellen stehen, können sie schnell auf sich ändernde Marktbedingungen reagieren. Teammitglieder führen einen fortwährenden Prozess von Versuch und Irrtum durch, um die Anzahl der Alternativen einzuschränken, die sie berücksichtigen müssen. Sie erwerben auch breites Wissen und vielfältige Fähigkeiten, die ihnen helfen, ein vielseitiges Team zu schaffen, das in der Lage ist, eine Reihe von Problemen schnell zu lösen.

Solch ein »Learning-by-Doing« manifestiert sich in zwei Dimensionen: über mehrere Ebenen hinweg (individuell, in Gruppen und Unternehmen) und über mehrere Funktionen hinweg. Wir bezeichnen diese beiden Dimensionen des Lernens als »Multidimensionales Lernen«.

Multilevel-Lernen

Das Lernen auf individueller Ebene findet auf verschiedene Arten statt. 3M zum Beispiel ermuntert Ingenieure, 15 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Verfolgung ihres »Traums« zu verwenden. Canon setzt Gruppendruck ein, um individuelles Lernen zu fördern. Ein Konstrukteur des PC-10-Projekts erklärte: »Meine leitenden Angestellten und einige meiner Kollegen studieren wirklich hart. Mit der Anzahl der Bücher, die sie lesen, kann ich nicht mithalten. Wann immer ich Zeit habe, gehe ich in ein Kaufhaus und verbringe mehrere Stunden in der Spielzeugabteilung. Ich beobachte, was verkauft wird und schaue mir die neuen Gadgets an, die in den Spielzeugen verwendet werden. Das kann mir später den ein oder anderen Hinweise geben.«

Das Lernen wird auch auf Konzernebene nachdrücklich verfolgt. Honda zum Beispiel schickte mehrere Mitglieder des City-Projektteams für drei Wochen nach Europa, als das Projekt in der Konzeptentwicklungsphase eine Sackgasse erreichte. Ihnen wurde gesagt, dass sie sich einfach »umsehen sollten, was in Europa passiert«. Dort trafen sie auf den Mini-Cooper, – ein kleines Auto, das vor Jahrzehnten in Großbritannien entwickelt wurde – welcher großen Einfluss auf ihre Designphilosophie hatte.

Während der Entwicklung des PC-10-Kopierers verließen Canon-Teammitglieder die Projektbüros, um eine Reihe von Meetings in nahegelegenen Hotels abzuhalten. In einer der ersten Sitzungen trennte sich das gesamte Projektteam in Untergruppen mit je einem Vertreter des Designteams und des Produktionsteams. Jede Untergruppe wurde angewiesen, die Kosten einer Schlüssel-Komponente zu berechnen und Wege zu finden, diese Kosten um ein Drittel zu reduzieren. »Da jede Untergruppe demselben Mandat und derselben Frist gegenüberstand, hatten wir keine Wahl«, erinnerte sich ein Projektmitglied. Das Lernen fand in Eile statt.

Lernen auf Unternehmensebene wird am besten durch die Einrichtung einer unternehmensweiten Bewegung oder eines Programms erreicht. Fuji-Xerox zum Beispiel nutzte die Total-Quality-Control-Bewegung (TQC) als Grundlage für die Veränderung der Unternehmensmentalität. TQC wurde entwickelt, um die Sensibilität des gesamten Unternehmens gegenüber gleichzeitiger Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung, Marktorientierung, Kostenreduzierung und Arbeitsvereinfachung zu erhöhen. Um diese Ziele zu erreichen, musste jeder in der Organisation die Grundlagen von Techniken wie statistischer Qualitätskontrolle und Wertschöpfung erlernen.

Hewlett-Packard startete ein vierstufiges Trainingsprogramm im Marketing, um das Ziel des Unternehmens zu erreichen, marktorientierter zu werden. Das Unternehmen nimmt nun Top-Akademiker und Unternehmensberater hinzu, um die Marketing-Botschaft zu verbreiten. Sie wendet auch Techniken an, die aus der Konsumgüterindustrie abgeschaut sind, wie beispielsweise Interviews mit Fokusgruppen, quantitative Marktforschung und Testmarketing. Darüber hinaus hat das Unternehmen eine Abteilung für Unternehmensmarketing geschaffen, um das zu beschleunigen, was ein Insider »den Übergang von einem Unternehmen, das von Ingenieuren für Ingenieure mit stärkerem Marketingfokus geführt wird« nennt.

Multi-Funktionales Lernen

Experten werden ermutigt, Erfahrungen in anderen Bereichen zu sammeln. Zum Beispiel:

Alle Projektmitglieder, die den ersten Mini-Drucker von Epson entwickelten, waren Maschinenbauingenieure, die am Anfang wenig über Elektronik wussten. So kehrte der Leiter des Projektteams, ebenfalls Maschinenbauingenieur, als Forscher an seine Universität zurück und studierte zwei Jahre Elektrotechnik. Er tat dies während des Projekts. Als sie das Miniprinter-Projekt abgeschlossen hatten, waren alle Ingenieure mit Elektronik vertraut. »Ich sage meinen Leuten, dass sie in zwei technologischen Bereichen und in zwei funktionalen Bereichen, wie Design und Marketing, versiert sein sollen.«, sagte der Leiter. »Selbst in einem ingenieur-orientierten Unternehmen wie unserem können Sie nicht ohne die Fähigkeit auskommen, Entwicklungen auf dem Markt voraussehen zu können.«

Das Team am NEC PC 8000 bestand aus Vertriebsingenieuren der Electronic Devices Division. Sie haben viel Know-how erworben, um den ersten Personal Computer des Unternehmens zu entwickeln, indem sie TK 80, ein Computer-Kit, zusammenstellten und zwei Jahre vor dem PC 8000 auf den Markt brachten und indem sie sich für etwa ein Jahr, auch an Wochenenden, an BIT-IN, einem NEC-Servicezentrum mitten in Akihabara stationierten, mit Bastlern sprachen und die Sicht des Benutzers verstehen lernten.

Diese Beispiele zeigen die wichtige Rolle, die Multidimensionales Lernen im gesamten Personalmanagement-Programm des Unternehmens spielt. Es fördert bei den Mitarbeitern den Unternehmensgeist und »Learning by doing«. Es hilft, sie auf dem neuesten Stand zu halten. Es dient auch als Grundlage für die Schaffung eines Klimas, das eine organisatorische Transition herbeiführen kann.


Subtile Kontrolle

Obwohl Projektteams weitgehend auf sich selbst gestellt sind, sind sie nicht unkontrolliert. Das Management stellt genügend Checkpoints auf, um zu verhindern, dass Instabilität, Unklarheit und Anspannung ins Chaos münden. Gleichzeitig vermeidet das Management die Art von starrer Kontrolle, die Kreativität und Spontaneität beeinträchtigt. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf »Selbstkontrolle«, »Kontrolle durch sozialen Druck« und »Kontrolle durch Liebe«, die wir zusammenfassend »subtile Kontrolle« nennen.

Im neuen Produktentwicklungsprozess wird subtile Kontrolle auf sieben Arten ausgeübt:

  1. Auswahl der richtigen Personen für das Projektteam unter Beobachtung von Verschiebungen in der Gruppendynamik und das Hinzufügen oder Entfernen von Mitgliedern, wenn es erforderlich ist. »Wir wählen die Projektmitglieder nach langen Überlegungen sorgfältig aus. Wir analysieren die verschiedenen Persönlichkeiten, um zu sehen, ob sie miteinander auskommen würden. Die meisten Menschen verstehen sich dank unserer gemeinsamen Werte.«
  2. Schaffen einer offenen Arbeitsumgebung, wie im Fall von Fuji-Xerox.
  3. Ingenieure ermutigen, ins Feld zu gehen und zuzuhören, was Kunden und Händler zu sagen haben. »Ein Konstrukteur ist vielleicht versucht, den einfachen Ausweg zu nehmen, denkt aber eventuell darüber nach, was der Kunde zu sagen hat, und versucht, einen Weg zu finden, diese Anforderung zu erfüllen«, bemerkte ein Ingenieur von Fuji-Xerox.
  4. Etablierung eines Bewertungs- und Belohnungssystems basierend auf Gruppenleistung. Canon hat zum Beispiel Patente für Produkte aus dem PC-10-Projekt auf Gruppenbasis angemeldet.
  5. Den unterschiedlichen Rhythmus im gesamten Entwicklungsprozesses handhaben. Wie bereits erwähnt, ist der Rhythmus in den frühen Phasen am stärksten und nimmt gegen Ende ab.
  6. Fehler tolerieren und vorausahnen. Ingenieure bei Honda sagen gerne, dass »eine einprozentige Erfolgsrate durch Fehler unterstützt wird, die 99 Prozent der Zeit ausmachen.« Ein für F & E Verantwortlicher bei Brother sagte: »Es ist normal für junge Ingenieure, viele Fehler zu machen. Der Schlüssel liegt darin, die Fehler früh zu finden und Schritte zu unternehmen, um sie sofort zu korrigieren. Aus diesem Grund haben wir Schritte unternommen, um den Testproduktionszyklus zu beschleunigen«. Eine 3M-Führungskraft bemerkte: »Ich glaube, wir lernen mehr aus Fehlern als aus Erfolgen. Das heißt nicht, dass wir leicht Fehler machen sollten. Aber wenn wir Fehler machen, sollten wir sie kreativ gestalten.«
  7. Lieferanten dazu ermutigen, sich selbst zu organisieren. Sie frühzeitig in das Design mit einzubeziehen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber das Projektteam sollte davon absehen, den Lieferanten zu sagen, was zu tun ist. Wie Xerox herausfand, erzielen Lieferanten bessere Ergebnisse, wenn ihnen das Problem erklärt wird und sie entscheiden dürfen, wie sie die Teile zur Verfügung stellen.

Transfer des Lernens

Der Antrieb, Wissen über Ebenen und Funktionen hinweg zu sammeln, ist nur ein Aspekt des Lernens. Wir beobachteten eine ebenso starke Motivation seitens der Projektmitglieder, ihr Lernen auf andere außerhalb der Gruppe zu übertragen.

Der Transfer von Lernerfahrungen zu folgenden neuen Produktentwicklungsprojekten oder zu anderen Abteilungen in der Organisation findet regelmäßig statt. In einigen der von uns untersuchten Unternehmen erfolgte die Übertragung durch »Osmose«, indem Schlüsselpersonen nachfolgenden Projekten zugewiesen wurden. Ein Honda-Manager erklärte: »Wenn die Fabrik in Betrieb ist und die Forderungen aus der frühen Phase gelöst sind, bauen wir das Projektteam ab, sodass nur noch wenige Leute übrig bleiben. Da wir nur eine begrenzte Anzahl von untypisch begabten Menschen haben, schicken wir sie unmittelbar zu einem anderen Schlüsselprojekt weiter.«

Wissen wird auch in der Organisation übertragen, indem Projektaktivitäten in Standardpraxis umgewandelt werden. Bei Canon zum Beispiel produzierte das Projekt »Auto Boy« ein Format für die Durchführung von Reviews, das in späteren Projekten verwendet wurde. Ein Teammitglied erinnerte sich: »Wir trafen uns einmal im Monat, um uns über einzelne laufende Teilprojekte auszutauschen, und einmal in etwa drei Monaten, um das Projekt aus einer größeren Perspektive zu diskutieren. Dieses Muster wurde später in monatliche und vierteljährliche Fortschrittsberichte aus dem PC-10 Minicopier-Projekt institutionalisiert.«

Natürlich versuchen Unternehmen, die Lehren aus ihren Erfolgen zu institutionalisieren. IBM versucht, das Entwicklungsprojekt für Personalcomputer, das in 13 Monaten mit externer Hilfe abgeschlossen wurde, im gesamten Unternehmen nachzuahmen.

Bei Hewlett-Packard programmiert die PC-Gruppe die Art und Weise neu, wie das gesamte Unternehmen neue Produkte entwickelt und verkauft. In der Vergangenheit war das Unternehmen berühmt dafür, eine Maschine für einen bestimmten Kunden zu entwickeln und einen Premium-Preis zu verlangen. Aber es hat kürzlich seinen ThinkJet – einen leisen Tintenstrahldrucker – für eine kostengünstige Massenproduktion entwickelt und zu niedrigen Preisen verkauft. Innerhalb von sechs Monaten nach seiner Einführung eroberte der Drucker 10 Prozent des Low-Cost-Marktes. Hewlett-Packard begann damit, das zu verwenden, was es von der Entwicklung und Preisgestaltung von ThinkJet auf seine Minicomputer-Linie gelernt hatte. Innerhalb weniger Monate, nachdem ThinkJet auf den Markt gebracht wurde, führte das Unternehmen ein Minicomputersystem für ein breites Unternehmenspublikum zu einem moderaten Preis ein.

Institutionalisierung kann jedoch, wenn sie zu weit getrieben wird, ihre eigene Gefahr schaffen. Die Weitergabe von goldenen Worten aus der Vergangenheit oder die Einführung von Standardpraktiken auf der Grundlage von Erfolgsgeschichten funktioniert gut, wenn die externe Umgebung stabil ist. Änderungen in der Umgebung können jedoch solche Lektionen schnell unpraktisch machen.

Mehrere Unternehmen haben versucht, alte Lektionen zu verlernen. Verlernen hilft dabei, dass sich das Entwicklungsteam neu auf die Gegebenheiten der äußeren Umgebung abstimmt. Es dient auch als Sprungbrett für weitere Verbesserungen.

Ein großer Teil des Verlernens wird durch Veränderungen in der Umwelt ausgelöst. Aber manche Unternehmen verfolgen bewusst das Verlernen. Betrachten Sie diese Beispiele:

  • Epsons Ziel ist es, das Modell der nächsten Generation in Entwicklung zu bringen, wenn ein neues Modell auf den Markt kommt. Das Unternehmen teilt seinen Projektteams mit, dass das Modell der nächsten Generation mindestens um 40 Prozent besser sein muss als das bestehende.
  • Als Honda das Civic-Modell der dritten Generation baute, entschied sich das Projektteam dafür, alle alten Teile zu verschrotten und neu anzufangen. Als das Auto vor der Öffentlichkeit debütierte, wurden alle neuen Teile auf Wunsch der Projektmitglieder direkt neben dem Auto ausgestellt. Das Fahrzeug gewann 1984 den Preis »Auto des Jahres« in Japan.
  • Fuji-Xerox hat seinen Sashimi-Ansatz verfeinert, der zuerst für den FX-3500 übernommen wurde. Verglichen mit dem Aufwand benötigt ein neues Produkt heute die Hälfte der ursprünglichen Gesamtarbeitskraft. Fuji-Xerox hat außerdem den Produktentwicklungszyklus von 4 auf 24 Monate verkürzt.

Einige Einschränkungen

Einige Worte der Vorsicht sind angebracht. Der ganzheitliche Ansatz in der Produktentwicklung funktioniert möglicherweise nicht in allen Situationen. Es hat einige eingebaute Einschränkungen:

  • Dies erfordert außerordentliche Anstrengungen seitens aller Projektmitglieder während des gesamten Entwicklungsprozesses. Manchmal zeichnen Teammitglieder monatliche Überstunden von 100 Stunden während der Spitze und 60 Stunden während des restlichen Projekts auf.
  • Es ist möglicherweise nicht übertragbar für bahnbrechende Projekte, die eine revolutionäre Innovation erfordern. Diese Einschränkung kann insbesondere in der Biotechnologie oder Chemie zutreffen.
  • Dies trifft möglicherweise nicht auf Mammutprojekte zu, wie sie in der Luft- und Raumfahrtbranche zu finden sind, wo bereits umfangreiche Gespräche allein über den Projektumfang erforderlich sind.
  • Es trifft möglicherweise nicht auf Organisationen zu, in denen die Produktentwicklung von einem Genie geleitet wird, das eine Erfindung entwickelt und eine klar definierte Menge von Spezifikationen für nachfolgende Personen definiert.

Einige Einschränkungen ergeben sich auch aus dem Umfang unserer Forschung. Unsere Stichprobengröße beschränkte sich auf eine Handvoll Unternehmen, und unsere Ergebnisse wurden größtenteils davon abgeleitet, zu beobachten, wie der Entwicklungsprozess in Japan gehandhabt wurde. Allgemeine Schlussfolgerungen müssen daher mit einiger Vorsicht getroffen werden. Wenn jedoch neue Ansätze für die Produktentwicklung in den Vereinigten Staaten akzeptiert werden, ist der Unterschied zwischen den beiden Ländern vielleicht nicht so sehr ein Unterschied in der Sache, als eher nur im Grad.


Konsequenzen für Führung

Veränderungen in der Umwelt – verschärfter Wettbewerb, ein zersplitterter Massenmarkt, verkürzte Produktlebenszyklen sowie fortschrittliche Technologie und Automatisierung – zwingen die Unternehmensleitungen dazu, die traditionellen Wege zur Produktentwicklung zu überdenken. Ein Produkt, das ein paar Monate zu spät kommt, kann leicht mehrere Monate in der Amortisierung verlieren. Ein Produkt, das von einem Ingenieur entworfen wurde, der unter dem »Next bench«-Syndrom leidet – die Gewohnheit, ein Produkt zu entwerfen, indem er einen Kollegen auf der nächsten Bank befragt, welche Art von Produkt er oder sie möchte – kann die flexiblen Anforderungen des Marktes nicht erfüllen.

Um Geschwindigkeit und Flexibilität zu erreichen, müssen Unternehmen den Produktentwicklungsprozess unterschiedlich steuern. Drei Arten von Änderungen sollten in Betracht gezogen werden.

Erstens müssen Unternehmen einen Führungsstil übernehmen, der den Prozess fördern kann. Führungskräfte müssen zu Beginn erkennen, dass die Produktentwicklung selten linear und statisch abläuft. Es beinhaltet einen iterativen und dynamischen Prozess von Versuch und Irrtum. Um einen solchen Prozess zu verwalten, müssen Unternehmen einen sehr anpassungsfähigen Stil beibehalten.

Da Projekte nicht völlig rationell und konsequent ablaufen, ist Anpassungsfähigkeit besonders wichtig. Betrachten Sie zum Beispiel folgende Situationen:

  • Das Top-Management fördert Versuch und Irrtum, indem es absichtlich ausgedehnte Ziele definiert und Mehrdeutigkeit toleriert. Gleichzeitig setzt es herausfordernde Ziele und erzeugt Spannungen innerhalb der Gruppe und innerhalb der Organisation.
  • Der Prozess, durch den Vielfalt verstärkt (Spezialisierung) und reduziert (Integration) wird, findet während der überlappenden Phasen des Entwicklungszyklus statt. Hingegen neigt Spezialisierung dazu, die Konzeptentwicklungsphase des Zyklus zu dominieren und die Integration beginnt, die nachfolgenden Phasen zu übernehmen.
  • Operative Entscheidungen werden inkrementell getroffen, wichtige strategische Entscheidungen werden jedoch so weit wie möglich verzögert, um eine flexiblere Reaktion auf kurzfristige Rückmeldungen vom Markt zu ermöglichen.

Anmerkungen vom Autor zum Aspekt „herausfordernde Ziele“: Herausfordernde Ziele sollten erreichbar und realistisch sein, bei nicht machbaren Aufgaben entsteht kein Flowzustand – das hemmt die Wirksamkeit des Ansatzes.

Da das Management während des gesamten Entwicklungsprozesses subtile Formen der Kontrolle ausübt, führen diese scheinbar widersprüchlichen Ziele nicht zu völliger Verwirrung. Subtile Kontrolle steht auch im Einklang mit dem selbstorganisierenden Charakter der Projektteams.

Zweitens ist eine andere Art des Lernens erforderlich. Nach dem traditionellen Ansatz führt eine hochkompetente Gruppe von Spezialisten neue Produktentwicklungen durch. Eine Elite-Gruppe von technischen Experten erledigt den Großteil des Lernens. Wissen wird auf individueller Basis in einem engen Fokusbereich gesammelt – was wir Tiefenlernen nennen.

Im Gegensatz dazu übernehmen die Nicht-Experten unter dem neuen Ansatz (in ihrer extremen Form) die Produktentwicklung. Sie werden ermutigt, die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Arbeit zu erwerben. Im Gegensatz zu den Experten, die Fehler nicht einmal in einem Prozent der Zeit tolerieren können, sind die Nicht-Experten bereit, den Status quo herauszufordern. Dafür müssen sie Wissen aus allen Bereichen des Managements, über verschiedene Ebenen der Organisation, funktionale Spezialisierungen und sogar organisatorische Grenzen sammeln. Solches Lernen in der Breite dient als notwendige Voraussetzung dafür, dass die geteilte Arbeitsteilung effektiv funktioniert.

Drittens sollte das Management der Entwicklung neuer Produkte eine andere Aufgabe zuweisen. Die meisten Unternehmen haben es in erster Linie als Generator künftiger Einnahmequellen betrachtet. In einigen Unternehmen wirkt sich die Entwicklung neuer Produkte aber auch als Katalysator für Veränderungen in der Organisation aus. Das PC-Projekt zum Beispiel soll die Denkweise von IBM verändert haben. Projekte, die aus der Personalcomputergruppe von Hewlett-Packard, einschließlich ThinkJet, hervorgegangen sind, haben seine ingenieurtechnische Kultur verändert.

Kein Unternehmen findet es einfach, sich für Veränderungen zu mobilisieren, insbesondere in Situationen ohne Krise. Aber die Selbst-Transzendenz der Projektteams und die Hektik, mit der die Teammitglieder arbeiten, helfen, ein Gefühl der Krise oder Dringlichkeit in der gesamten Organisation auszulösen. Ein Entwicklungsprojekt von strategischer Bedeutung für das Unternehmen kann daher auch in Friedenszeiten eine Kriegsarbeitsumgebung schaffen.

Veränderungen, die sich auf die gesamte Organisation auswirken, sind auch in hochstrukturierten Unternehmen, insbesondere in Unternehmen mit einem höheren Dienstalter, wie sie häufig in Japan zu finden sind, schwierig. Aber unkonventionelle Bewegungen, die in Zeiten des Friedens nur schwer durchführbar sind, können in Kriegszeiten legitimiert werden. So kann das Management einen kompetenten Manager entwurzeln oder einen sehr jungen Ingenieur ohne großen Widerstand dem Projekt zuweisen.

Sobald das Projektteam gebildet ist, beginnt es durch seine Sichtbarkeit (»wir wurden handverlesen«), seiner legitimierten Macht (»wir haben bedingungslose Unterstützung von der Spitze, um etwas Neues zu schaffen«) und dem Sinn für eine Mission (»Wir arbeiten daran, eine Krise zu lösen«) zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. Es dient als Motor für den unternehmerischen Wandel, da Projektmitglieder aus verschiedenen Funktionsbereichen strategische Initiativen ergreifen, die manchmal über den konventionellen Bereich des Unternehmens hinausgehen und ihr Wissen auf nachfolgende Projekte übertragen.

Das Umfeld, in dem ein multinationales Unternehmen – aus den USA oder Japan – tätig ist, hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Die Spielregeln für einen effektiven Wettbewerb auf dem heutigen Weltmarkt haben sich entsprechend verändert. Multinationale Konzerne müssen Geschwindigkeit und Flexibilität bei der Entwicklung von Produkten erreichen; Um dies zu tun, ist ein dynamischer Prozess erforderlich, bei dem viel Vertrauen in Versuch und Irrtum und Lernen durch Handeln besteht. Was wir heute brauchen, ist ständige Innovation in einer Welt des ständigen Wandels.