„Ich bin schon weiter“ – Warum solche Sätze von Coaches gefährlich und unprofessionell sind

Hast du schon einmal einen Coach oder Trainer sagen hören: „Ich bin da schon weiter“ oder „Ich kenne das auch von früher, da war ich auch mal“?

Auf den ersten Blick wirken solche Aussagen harmlos oder sogar empathisch. Doch psychologisch betrachtet sind sie überheblich, arrogant und unprofessionell.

1. Hier sind 5 Gründe, warum diese Aussagen problematisch sind

  1. Überheblichkeit statt Empathie: Wer sich selbst über den Klienten stellt, signalisiert Macht statt Unterstützung.
  2. Vermessene Identifikation: „Ich kenne das auch“ suggeriert, dass die eigene Erfahrung den Klienten erklären oder lösen kann – das ist eine gefährliche Vereinfachung.
  3. Blockade von Individualität: Jeder Mensch hat seine eigenen Gefühle, Geschichten und Mechanismen. Pauschale Vergleiche verkennen diese Einzigartigkeit.
  4. Reduktion von Verantwortung: Der Fokus verschiebt sich von den Bedürfnissen des Klienten auf die Kompetenz des Coaches – das hemmt echte Entwicklung.
  5. Gefährdung von Vertrauen: Wer arrogant wirkt, erzeugt Distanz statt Verbindung, was die Wirksamkeit von Coaching massiv einschränkt.

2. Psychologische Hintergründe

  • Soziale Dominanz: Studien zeigen, dass Menschen, die eigene Erfahrungen überbetonen, oft unbewusst Macht demonstrieren wollen, um Status zu sichern.
  • Projektionsmechanismus: Coaches, die ihre Vergangenheit in den Vordergrund stellen, projizieren eigene Bewältigungsstrategien auf andere – unabhängig davon, ob diese passen.
  • Individualitätsprinzip: Die humanistische Psychologie (Carl Rogers, 1961) betont, dass echtes Wachstum nur durch bedingungsfreie Akzeptanz und Empathie entsteht, nicht durch Vergleich oder Überlegenheit.
  • Gefühl der Entwertung: Klienten nehmen diese Aussagen oft unbewusst als Urteil wahr, was Selbstzweifel und Hemmungen erzeugen kann.

3. Warum es unprofessionell ist

  • Verlust der neutralen Haltung: Professionelle Coaches sollten den Klienten in den Mittelpunkt stellen, nicht sich selbst.
  • Vernachlässigung wissenschaftlicher Standards: Coaching basiert auf Individualität, psychologischer Methodik und bedingungsloser Akzeptanz – nicht auf persönlichen Geschichten.
  • Arroganz statt Führung: Führung im Coaching bedeutet Orientierung geben, nicht eigene Erfahrungen über den Klienten zu stellen.

4. Schutz und Umgang

  • Reflektiere die Quelle: Ein Coach, der sich selbst in den Vordergrund stellt, handelt oft aus Ego oder Unsicherheit.
  • Bleibe bei deinen Bedürfnissen: Es geht um deine Erfahrung, nicht um die des Coaches.
  • Grenzen setzen: Du darfst Sätze wie „Ich kenne das auch von früher“ hinterfragen oder ignorieren.
  • Selbstwert behalten: Die Kompetenz eines Coaches hängt nicht davon ab, ob er „weiter“ ist – sie hängt davon ab, wie er dich unterstützt.

Fazit:
Sätze wie „Ich bin da schon weiter“ oder „Ich kenne das auch von früher“ sind oft überheblich, arrogant und unprofessionell. Sie verschieben den Fokus von deinen Bedürfnissen auf das Ego des Coaches. Wissenschaftlich und psychologisch betrachtet sind sie nicht hilfreich, sondern blockierend. Wer sich als Klient bewusst abgrenzt, wahrt Selbstwert, Souveränität und den Raum für echte persönliche Entwicklung.

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